6. Kapitel: DER GANG ZUM ALTAR
Zu Beginn der heiligen Messe erklingt die Sakristeiglocke, und der Priester schreitet zum Altar.
Die Sakristeiglocke
So vielfältig die Sprache der Glocken ist, so rufen sie doch immer
zur Aufmerksamkeit. Sie werden geläutet als Totenglocke und um
Festfreude zu verkünden, um zur heiligen Messe, zur Andacht oder zum
Angelus zu laden, oder um beim Herannahen eines Gewitters zum Gebet zu
mahnen. Zum Ehrenzeichen werden sie, wenn sie im Moment der heiligen
Wandlung erklingen oder wenn sie durch festliches Geläute den Einzug
des Bischofs in ein Dorf verkünden.
Auch die Sakristeiglocke ruft zur Aufmerksamkeit und zur Ehrfurcht.
Sobald sie erklingt, erheben sich die Gläubigen, weil sie mit den Augen
des Glaubens im Priester Christus sehen und ehren.
Ein Beispiel soll verdeutlichen, wem diese Ehre gilt: In einem Dorf
hielt man eine feierliche Prozession zu Ehren des hl. Antonius. Dazu
befestigte man einen schön verzierten Schrein mit der Reliquie des
Heiligen auf dem Rücken eines kleinen Esels. Dann läutete man die
Glocken und führte den Esel durch die Straßen. Die Leute aber standen
still und verneigten sich. Und der Esel? Was mag der nun gedacht haben?
Ob er wohl meinte, die Ehre gelte ihm?
Ebenso gelten all die Zeichen der Ehrung, welche dem Priester in der
Liturgie erwiesen werden, nicht seiner Person. Er nimmt sie
stellvertretend für den entgegen, den er vertritt, und er wäre durchaus
ein Esel, wenn er sich darauf etwas einbilden würde. Wo immer ihm
solche Ehre widerfährt, mag er sich in Demut bewusst sein, wie hoch der
Anspruch ist, auch im persönlichen Lebenswandel seiner priesterlichen
Würde zu entsprechen.
Der Gang zum Altar
Der Einzug vollzieht sich immer in Form einer Prozession. Dabei ist der äußere Weg wiederum Bild für einen inneren
Weg, denn noch viel mehr als auf die leibliche Präsenz kommt es beim
eucharistischen Opfer auf die bewusste und wache innere Gegenwart an.
Priester und Volk sollen nicht nur äußerlich anwesend sein, sondern auch
ganz bewusst eine innere Nähe zum Altar suchen.
Zu diesem Zweck kann es geistlich sehr wertvoll sein, die Zeit nicht
zu knapp zu kalkulieren, sondern sich schon vor Beginn der heiligen
Messe einige Minuten zur persönlichen Vorbereitung zu sichern. Auf diese
Weise gewinnt man viel bewusster Distanz zum Alltag und setzt das, was
man beim Betreten der Kirche und beim Weihwassernehmen symbolisch
begonnen hat, in stiller Sammlung fort. Je ruhiger die Seele ist, desto
freier wird sie sich erheben, und je mehr man innerlich dabei ist, desto
reichere Früchte darf man sich aus der Teilnahme am heiligen Messopfer
erhoffen.
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