11. Kapitel: DIE KOMMUNION
Agnus Dei
Nachdem der Priester den Kelch wieder bedeckt hat, beugt er das Knie,
faltet die Hände und spricht zur heiligen Hostie hin geneigt dreimal
das Agnus Dei. Zu den Worten „miserere nobis“ klopft er mit der rechten Hand an seine Brust: „Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erbarme Dich unser!“
Als Lamm Gottes wurde Jesus gleich zu Beginn seines
öffentlichen Wirkens von Johannes dem Täufer begrüßt (vgl. Joh 1,
29.36), denn im Alten Bund war das Lamm eines der wichtigsten Vorbilder
für den kommenden Christus. Zum Auszug des Volkes Israel aus Ägypten
gebot Gott durch Moses, dass jede Familie ein fehlerloses, einjähriges,
männliches Lamm nehme und es am Vorabend des großen Sabbat schlachte.
Dabei sollte an ihm kein Bein zerbrochen werden (Ex 12, 46; vgl. Joh 19,
36). Durch sein an die Türpfosten gestrichenes Blut fand das
auserwählte Volk Rettung vor dem Tod: „Von dem Blut sollen sie
nehmen und damit die beiden Türpfosten und die Oberschwelle an den
Häusern bestreichen, in denen man es essen wird. ... Ich will in dieser
Nacht durch Ägypten schreiten, werde alle Erstgeborenen schlagen vom
Menschen bis zum Vieh. ... Das Blut an den Häusern, in denen ihr weilt,
soll euch zu einem Schutzzeichen sein. Wenn ich das Blut sehe, dann
schreite ich an euch vorüber.“ (Ex 12, 7-13)
In der Prophetie vom leidenden Gottesknecht schreibt Isaias: „Verachtet
war er, von Menschen gemieden, ein Mann der Schmerzen, mit Krankheit
vertraut. ... Unsere Krankheiten trug er, unsere Schmerzen lud er sich
auf. ... Er wurde durchbohrt für unsere Frevel, zerschlagen wegen
unserer Missetaten. Züchtigung für unser Heil lag auf ihm, durch seine
Wunden sind wir geheilt. ... Ihn ließ der Herr treffen unser aller
Verschuldung. Man misshandelte ihn, und er beugte sich; er tat seinen
Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und
gleich einem Schaf, das vor seinen Scherern verstummt.“ (Is 53, 3-7)
Die alttestamentlichen Prophetien haben sich buchstäblich erfüllt,
denn Jesus ist am Karfreitag genau zu der Stunde gestorben, als im nahen
Tempel zu Jerusalem die Osterlämmer geschlachtet wurden.
Auch ganz am Ende der Heiligen Schrift, in den geheimnisvollen
Schauungen des hl. Apostels Johannes, begegnet uns das Lamm. Dort ist es
die Schar der Erlösten, die gemeinsam mit unzähligen Engeln und im
Namen aller Geschöpfe mit lauter Stimme ruft: „Würdig ist das Lamm,
das geschlachtet wurde, Macht zu empfangen und Reichtum und Weisheit und
Stärke und Ehre, Verherrlichung und Lobpreis.“ (Offb 5, 12)
Bei der dritten Wiederholung des Agnus Dei steht die Bitte: „Gib uns den Frieden!“ Die dem menschlichen Herzen tief eingeprägte Sehnsucht nach Frieden wird einst erfüllt im himmlischen Jerusalem: „Sie
werden nicht mehr hungern und dürsten, und nimmer wird die Sonne auf
sie fallen noch irgendeine Glut. Denn das Lamm in der Mitte vor dem
Throne wird sie weiden und zu den Wasserquellen des Lebens führen, und
Gott wird jede Träne wegwischen von ihren Augen.“ (Offb 7, 16 f.)
Friedensgebet
Nun legt der Priester beide Hände gefaltet auf den Rand des Altares,
richtet seinen Blick auf die heilige Hostie und spricht leise das
Friedensgebet sowie zwei Gebete zur Vorbereitung auf die heilige
Kommunion. Diese sind nicht mehr an den Vater gerichtet, sondern direkt
an den im Sakrament gegenwärtigen Herrn.
Das Friedensgebet hat seine biblische Wurzel in den Abschiedsreden Jesu: „Frieden
hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt
ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz bange nicht und zage nicht!“ (Joh
14, 27) Die Bitte um „Einheit“ erinnert deutlich an das Hohepriesterliche Gebet: „Lass
sie alle eins sein. Wie Du, Vater, in mir bist und ich in Dir bin, so
lass auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass Du mich gesandt
hast.“ (Joh 17, 21)
Sehr bedeutungsvoll sind die Worte: „Herr, Jesus Christus, ... schau nicht auf meine Sünden, sondern auf den Glauben Deiner Kirche.“ Sie
erinnern an das Geheimnis priesterlicher Gewalt, denn selbst ein der
priesterlichen Würde unwürdiger Lebenswandel kann die Wirksamkeit der
Sakramente nicht mindern (vgl. KKK 1584).
Vom hl. Franz von Assisi wird berichtet, auf einer Reise durch die
Lombardei sei er in einem Dorf gefragt worden, ob man den Worten und dem
Lebenswandel eines Priesters Glauben schenken dürfe, der im Konkubinat
lebe und unreine Hände habe. Franziskus kniete in Anwesenheit des Volkes
vor dem betroffenen Pfarrer nieder und sprach: „Ich weiß nicht, ob
die Hände dieses Menschen so sind, wie sie dieser Mann beschreibt. Doch
selbst wenn diese Beschreibung der Wahrheit entspräche, so weiß und
glaube ich, dass die göttlichen Sakramente hierdurch weder Kraft noch
Wirksamkeit einbüßen. Durch diese Hände hindurch gießt Gott Wohltaten
und Gaben auf sein Volk aus, und so küsse ich diese Hände aus Ehrfurcht
vor den Sakramenten, deren Verwalter sie sind, und vor der Heiligkeit
dessen, der ihnen solche Macht verliehen hat.“ (Mederlet, Die Hochzeit des Lammes, S. 125)
Kommuniongebete
Die beiden folgenden Gebete eignen sich auch für die Gläubigen gut zur persönlichen Vorbereitung auf die heilige Kommunion.
Das erste Gebet beginnt mit der Anrede: „Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes.“ Darin ist eine deutliche Anlehnung an das Bekenntnis des hl. Apostels Petrus „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16, 16), von dem Jesus sagt: „Nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist.“ (Mt 16, 17) Im Zentrum steht die Bitte: „Erlöse
mich durch diesen Deinen hochheiligen Leib und Dein Blut von all meinen
Sünden und von jeglichem Übel. Gib, dass ich Deinen Geboten immer treu
bleibe, und lass nicht zu, dass ich jemals von Dir getrennt werde!“ Wir denken dabei an das Wort des hl. Apostels Paulus: „Wer
will uns trennen von der Liebe Christi? ... Ich bin überzeugt, weder
Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch
Zukünftiges noch Kräfte, weder Höhe noch Tiefe noch sonst etwas
Geschaffenes wird uns zu trennen vermögen von der Liebe Gottes in
Christus Jesus, unserem Herrn.“ (Röm 8, 35-39)
Das zweite Gebet trägt einen sehr ernsten Charakter. Es enthält eine dringliche Mahnung zur würdigen Kommunion: „Der
Genuss Deines Leibes, Herr Jesus Christus, den ich Unwürdiger zu
empfangen wage, gereiche mir nicht zum Gericht und zur Verdammnis,
sondern um Deiner Güte willen sei er mir Schutz und Heilmittel für Seele
und Leib.“ Wieder denken wir an ein Wort des hl. Apostels Paulus: „Es
prüfe ein jeder sich selbst, und so esse er von dem Brot und trinke aus
dem Kelch. Denn wer unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt sich
das Gericht, da er den Leib des Herrn nicht unterscheidet.“ (1 Kor 11,
28 f.) In der Sequenz Lauda Sion zum Fronleichnamsfest sagt der hl. Thomas von Aquin: „Gute
kommen, Böse kommen, alle haben ihn genommen, die zum Leben, die zum
Tod; Bösen wird er Straf‘ und Hölle, Frommen ihres Heiles Quelle; so
verschieden wirkt dies Brot.“
Domine non sum dignus
Während der Priester die beiden Teile der heiligen Hostie ergreift, spricht er: „Das himmlische Brot will ich nehmen und anrufen den Namen des Herrn.“
Dann hält er sie in der linken Hand über der Patene, schlägt sich mit
der Rechten dreimal an die Brust und spricht wie der Hauptmann von
Kapharnaum: „O Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ (vgl. Mt 8, 8)
Darin ausgedrückt ist zugleich tiefe Demut und großes Vertrauen. „Betrachtet
der Priester mit lebendigem Glauben die wunderbare Hoheit und
Heiligkeit des eucharistischen Herrn, der Einkehr bei ihm nehmen will,
dann wird er gar mächtig ergriffen und tief beschämt ob seiner
Unwürdigkeit, da das Herz so leer und öde, so arm und kalt ist. Voll
heiliger Scheu und Furcht möchte er mit Petrus ausrufen: ‚Geh hinweg von
mir, o Herr, denn ich bin ein sündiger Mensch!‘ (Lk 5, 8)“ (Gihr, S.
693) Zugleich aber denkt er an das Wort Jesu, der ja selbst gesagt hat: „Kommt
alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch
erquicken, ... und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen.“ (Mt 11, 28
f.)
In der Bitte um das Heil der Seele (et sanabitur anima mea) klingt das Psalmwort an: „O
Herr, sei mir gnädig. Heile meine Seele, denn ich habe wider Dich
gesündigt (sana animam meam, quia peccavi tibi).“ (Ps 40, 5).
Die dreimalige Wiederholung bringt gemäß einer besonderen Eigenart
der hebräischen Sprache Steigerung und Ernsthaftigkeit zum Ausdruck.
Kommunion
Das Wort Kommunion bedeutet Vereinigung. Wie Brot
und Wein dem Menschen zur Nahrung dienen für den Leib, so gibt Christus
uns gerade unter diesen Gestalten seinen Leib und sein Blut zur Nahrung
für die Seele. Und ebenso, wie die Nahrung sich aufs Innigste mit dem
Leib vereint, so vereinigt uns die heilige Kommunion aufs Innigste mit
Christus. Vor seiner Himmelfahrt hat der Herr gesagt: „Seht, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28, 20) Dieses ‚Bei uns Sein‘ hat er im Sakrament seiner Liebe ganz wunderbar verwirklicht.
Bei der Kommunion des Priesters ist jede einzelne Bewegung von
Psalmversen und stillem Gebet begleitet. Während er den Kelch ergreift,
spricht er: „Was soll ich dem Herrn vergelten für alles, was er an
mir getan hat? Den Kelch des Heils will ich ergreifen und anrufen den
Namen des Herrn.“ (Ps 115, 5)
Danach folgt die Kommunion der Gläubigen.
Im Laufe der Zeit ist die Kirche unter der Leitung des Heiligen
Geistes (vgl. Joh 16, 12 f.) immer tiefer in Wahrheit und Bedeutung des
eucharistischen Mysteriums eingedrungen. Es war und ist ihr ein
Bedürfnis, im Umgang mit diesem kostbarsten Gut und insbesondere in der
Ausspendung der heiligen Kommunion ihren Glauben an Christus und ihre
Anbetung klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen. So entstand ein
Ritus, der ganz reif und adäquat das ausdrückt, was die katholische
Kirche vom hochheiligen Sakrament des Altares glaubt: Zum Zeichen der
Anbetung knien die Gläubigen an der Kommunionbank nieder. Der
Priester segnet jeden einzelnen und legt ihm die Hostie direkt auf die
Zunge, indem er spricht: „Der Leib unseres Herrn Jesus Christus + bewahre deine Seele zum ewigen Leben. Amen.“
Von dieser Art zu kommunizieren sagt die Instruktion ‚Memoriale Domini‘ vom 29. Mai 1969: „Die
herkömmliche Praxis gewährleistet zuverlässiger die erforderliche
Ehrfurcht und die geziemende Würde bei der Spendung der heiligen
Kommunion; sie hält die Gefahr der Verunehrung der eucharistischen
Gestalten fern, unter denen Christus in einzigartiger Weise ganz und
unversehrt zugegen ist, Gott und Mensch, wesentlich und dauernd; sie
fördert die Sorgfalt, mit der die Kirche stets die Fragmente des
konsekrierten Brotes zu achten empfiehlt: ‚Denn was du zugrunde gehen
lässt, sollst du so betrachten, als ginge dir eines deiner eigenen Glieder verloren.‘ (Cyrill von Jerusalem)“
Während der heiligen Kommunion halten die Gläubigen, oder besser noch ein Ministrant, die Kommunionpatene.
Dies ist ein ovaler, vergoldeter Teller, der verhindern soll, dass
Fragmente der konsekrierten Gestalten zu Boden fallen; denn mit dem
Konzil von Trient bekennen wir, „dass in dem verehrungswürdigen
Sakrament der Eucharistie unter jeder Gestalt und unter den einzelnen
Teilen einer jeden Gestalt nach der Teilung der ganze Christus enthalten
ist“ (Konzil von Trient, 13. Sitzung 1551, 3. Lehrsatz).
Schon der hl. Cyrill von Jerusalem († 386) mahnt: „Habe wohl
acht, damit von den eucharistischen Gestalten nichts verloren gehe. Denn
sage mir, wenn dir jemand Goldkörner gäbe, würdest du sie nicht mit
größter Behutsamkeit halten und besorgt sein, dass keines davon verloren
geht und du keinen Schaden leidest? Um wie viel mehr musst du auf der
Hut sein, auch nicht ein Brosämlein zu verlieren von dem, was
unvergleichlich wertvoller ist als Gold und Edelstein.“ (Mystagog. Kat.
5, 21)
Wo die äußeren Zeichen der Ehrfurcht nicht beachtet werden, wird
notwendig auch die innere Ehrfurcht und der Glaube an die wirkliche
Gegenwart des Herrn im Sakrament des Altares Schaden leiden.
Purifikation
Nach der heiligen Kommunion folgt die Purifikation (von purificare = reinigen).
Bevor der Priester den Kelch reinigt, werden unter stillem Gebet
Wein und Wasser über jene vier Fingerspitzen gegossen, mit denen er den
Leib des Herrn berührt hat. Erst danach nimmt er sie wieder
auseinander. - Mancher Gestus sagt mehr als viele Worte!
Während der Purifikation spricht er: „Was wir mit dem Mund
empfangen haben, Herr, das lass uns auch mit reinem Herzen aufnehmen,
und aus der zeitlichen Gabe werde uns ein ewiges Heilmittel. - Dein
Leib, Herr, den ich empfangen, und das Blut, das ich getrunken habe,
bleibe stets in meinem Innersten; gib, dass in mir kein Sündenmakel
zurückbleibe, da mich diese reinen und heiligen Geheimnisse neu gestärkt
haben.“
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