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10. Kapitel: DER MESSKANON
Der römische Messkanon ist mehr als einfach nur ein
altehrwürdiger Text. Er ist lebendiger Bestandteil jenes heiligen Tuns,
in dem Christus selbst durch den Dienst der Kirche sein Opfer in die
Zeit hinein verlängert und es zum Aufbau seines mystischen Leibes in
unblutiger Weise auf dem Altar gegenwärtigsetzt.
Über den Kanon sagt das Konzil von Trient: „Das Heilige
muss heilig verwaltet werden. Da es nun nichts Heiligeres gibt als
dieses Opfer, so hat die katholische Kirche, um würdig und
ehrfurchtsvoll zu opfern und zu empfangen, seit vielen Jahrhunderten den
heiligen Kanon eingeführt. Er ist frei von jedem Irrtum und enthält
nichts, was nicht ganz und gar Heiligkeit und Frömmigkeit atmet und die
Herzen der Opfernden zu Gott emporrichtet.“ (22. Sitzung (1562), 4.
Kapitel)
Aufbau des Kanon
Ähnlich wie bei der Opferung werfen wir auch beim Kanon
zunächst einen Blick auf das Ganze. Dabei ist zu bemerken, dass die
Struktur des Kanon in wunderbarer Ordnung den Gesetzen der Ästhetik
entspricht. Die jeweils acht ‚Strophen‘ vor und nach der heiligen
Wandlung gleichen den Säulen einer antiken Basilika, die in klarer
Symmetrie einander gegenüber stehen, und wie in der Apsis der Basilika
der Altar, so stehen genau im Zentrum des Kanon die beiden ‚Strophen‘
der Wandlung.
9
Qui pridie
Konsekration des Leibes |
10 Simili modo
Konsekration des Bluts |
8 Quam
oblationem
Epiklese [Wandlungsbitte]
7 Hanc igitur
Bitte um Annahme des Opfers
6 Communicantes
triumphierende Kirche
5 Memento
Gedächtnis der streitenden Kirche
4 In primis
Bitte für die hierarchische Weltkirche
3 Te igitur
Mittlerschaft Christi
2 Sanctus
Gotteslob
1 Präfation
zum Vater
Präludium: Secret |
11 Unde et
memores
Anamnese [Heilsgedächtnis]
12 Supra quæ
Bitte um Annahme des Opfers
13 Supplices
himmlische Kirche
14 Memento
Gedächtnis der leidenden Kirche
15 Nobis quoque
Bitte für den zelebrierenden Klerus
16 Per quem
Mittlerschaft Christi
17 Per ipsum
Gotteslob
18 Pater noster
zum Vater
Postludium: Embolismus |
Sursum corda
Nach der Secret, durch die zugleich die Opferung
abgeschlossen und zum Kanon übergeleitet wird, steht ein feierlicher
Wechselgruß zwischen Priester und Volk. Er beginnt mit dem Sursum corda: „Empor die Herzen!“ Dazu erhebt der Priester die Hände, „um
durch diese Gebärde den inneren Aufschwung des Gemütes und das
Verlangen nach völliger Hingabe an den Herrn kundzumachen und zu
verstärken. In dieser Bewegung der Hände spricht sich nämlich die
Sehnsucht nach dem aus, was erhaben ist über uns, d. h. nach dem
Himmlischen und Ewigen.“ (Gihr, S. 519)
Nach der klassischen Definition des hl. Johannes von Damaskus ist jedes Gebet Erhebung der Seele zu Gott (ascensio mentis in Deum).
Solch ein innerer Aufstieg ist zu Beginn des Kanon besonders nötig,
denn nur betend kann man sich dem Heiligen wirklich nahen.
Wir denken auch an das Wort des hl. Apostels Paulus, das uns aus der Epistel der Osternacht vertraut ist: „Wenn
ihr mit Christus auferstanden seid, dann suchet, was droben ist (quæ
sursum sunt quærite), wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Was
droben ist, habt im Sinn (quæ sursum sunt sapite), nicht was auf Erden.“
(Kol 3, 1 f.)
Die Antwort des Volkes „Habemus ad Dominum - Wir haben sie beim Herrn (wörtlich: zum Herrn hin)“ drückt eine klare Richtung aus. Das soll keine Floskel sein, sondern Wirklichkeit: „Keiner
sei derart anwesend, dass er zwar mit dem Munde sage: ‚Wir haben das
Herz zum Herrn erhoben‘, in seinen Gedanken aber den Geist bei den
Sorgen dieses Lebens habe. An Gott muss man zwar allzeit denken; wenn
aber dies wegen der menschlichen Schwachheit unmöglich ist, so muss man
es sich doch ganz besonders bei der Opferfeier eifrig angelegen sein
lassen.“ (Hl. Cyrill von Jerusalem)
Gratias agamus
Es folgt die Aufforderung: „Gratias agamus Domino, Deo nostro. - Lasset uns danken dem Herrn, unserem Gott.“ Dazu vereint der Priester beide Hände, erhebt kurz die Augen und macht eine tiefe Verneigung.
Die Antwort des Volkes lautet: „Dignum et justum est. - Das ist würdig und recht.“
Die Präfation
Daran knüpfen sich die ersten Worte der Präfation: „Vere
dignum et justum est ... - In Wahrheit ist es würdig und recht,
geziemend und heilsam, dass wir Dir immer und überall danken, Herr,
heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott, durch Christus, unseren
Herrn.“
Das Wort danken ist verwandt mit denken und gedenken, und genau das tut die Präfation: Sie ist dankerfülltes Gedenken der Großtaten Gottes.
„Die Heilige Schrift berichtet, dass Jesus Christus seinem
himmlischen Vater gedankt habe, bevor er Brot und Wein konsekrierte. ...
Wer sollte nicht auf den ersten Blick erkennen, dass die Kirche auch
hierin dem Beispiel ihres göttlichen Herrn und Meisters folgt, indem
sie dem Wandlungsakt in der Präfation einen unvergleichlich erhabenen Dank- und Preisgesang vorangehen lässt?“ (Gihr, S. 516)
Die Danksagung ist dem heiligen Messopfer so wesentlich, dass das griechische Wort eucharistia (= Danksagung) zur gebräuchlichen Bezeichnung für die heiligen Messe selbst wurde.
Gegen Ende der Präfation vereint die Kirche ihren Lobgesang mit jenem der Engel und leitet so zum Sanctus über: „Darum
singen wir mit den Engeln und Erzengeln, mit den Thronen und
Herrschaften und mit all den Scharen des himmlischen Heeres den
Lobgesang Deiner Herrlichkeit und rufen ohne Ende: Heilig, heilig,
heilig ...“
Das Sanctus
Zum Ausdruck tiefer Ehrfurcht spricht der Priester das Sanctus
in verbeugter Haltung. Es besteht in zwei Teilen aus Worten der
Heiligen Schrift, die genau den beiden grundlegendsten Geheimnissen des
christlichen Glaubens entsprechen: „Die erste Hälfte enthält die
Verherrlichung der heiligsten Dreifaltigkeit durch die Engel des
Himmels; die zweite Hälfte besteht aus der Begrüßung des Heilandes durch
den Mund der Gläubigen auf Erden.“ (Gihr, S. 528)
- Der erste Teil des Sanctus ist der Berufungsvision des Propheten Isaias entnommen: „Im
Todesjahr des Königs Ussia sah ich den Herrn. Er saß auf einem hohen
und erhabenen Throne, seines Gewandes Schleppen füllten den Tempel. Über
ihm schwebten Seraphim; sechs Flügel hatte ein jeder; mit zweien
verhüllte er sein Angesicht, mit zweien bedeckte er seine Füße, und mit
zweien flog er. Einer rief dem andern zu und sprach: ‚Heilig, heilig,
heilig ist der Herr der Heerscharen, die Fülle der ganzen Erde ist seine
Herrlichkeit.‘ Vor der Stimme des Rufenden erbebten die Pfosten der
Türschwellen, und der Tempelraum füllte sich mit Rauch.“ (Jes 6, 1-4) Die dreimalige Wiederholung des Heilig
enthält einen Hinweis auf die drei göttlichen Personen und gilt
deshalb als indirekte alttestamentliche Offenbarung der
Dreipersönlichkeit Gottes.
- Der zweite Teil steht im Kontext des feierlichen Einzugs Jesu in Jerusalem am Palmsonntag: „Die
Scharen, die vorausgingen und nachfolgten, riefen: ‚Hosanna dem Sohne
Davids! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der
Höhe!‘“ (Mt 21, 9)
In diesem Zusammenhang denken wir daran, wie einst viele, die eben noch „Hosanna!“ gerufen hatten, kaum fünf Tage später schrien: „Hinweg! Hinweg! Kreuzige ihn!“ (Joh 19, 15) Damit unser „Hosanna!“ jedoch echt sei und für uns nicht das Wort Jesu gelte: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, ihr Herz aber ist fern von mir“ (Mt 15, 8), beten wir mit der Oration zur Weihe der Zweige am Palmsonntag: „Gib, dass Dein Volk, was es ... zu Deiner Ehre äußerlich tut, auch geistig mit höchster Hingabe vollziehe.“
Das lateinische Wort venit ist offen für eine zweifache Deutung, denn es kann sowohl Vergangenheit als auch Gegenwart sein. Es heißt „Hochgelobt sei, der gekommen ist ...“ (nämlich damals bei der Menschwerdung) und zugleich auch „Hochgelobt sei, der kommt ...“ (nämlich jetzt auf den Altar).
Die Kanonstille
Nach dem Sanctus beginnt der Kanon in heiliger Stille.
- Die Kanonstille gleicht einem Schleier, der das Heilige
schützend umhüllt. Auch sie drückt Ehrfurcht und Demut aus, denn vor
dem, was nun geschieht, muss jedes menschliche Wort verstummen. Mehrfach
spricht die Heilige Schrift von einem ‚Schweigen vor Gott‘. So sagt der
Prophet Habakuk: „Der Herr thront in seinem heiligen Tempel; es schweige vor ihm alle Welt!“ (Hab 2, 20) Und Sophonias: „Silete
a facie Domini Dei ... - Still vor dem Angesicht Gottes, des Herrn!
Denn nahe ist der Tag des Herrn.“ (Soph 1, 7; vgl. auch Zach 2, 17) Oder der Psalm: „Quiesce in Domino et exspecta eum. - Sei still vor dem Herrn und warte auf ihn!“ (Ps 36, 7)
- Ein
Blick in die Heilsgeschichte zeigt, dass Gott große Dinge gerne im
Verborgenen tut. In einer der erhabensten Gotteserscheinungen des Alten
Bundes offenbart er sich dem Elias in einem leisen, zarten Säuseln: „Der
Herr befahl: ‚Tritt hinaus und stelle dich auf dem Berg vor den Herrn
hin!‘ Siehe, da zog der Herr vorüber: Ein starker mächtiger Sturm, der
die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging vor dem Herrn einher,
doch im Sturm war der Herr nicht. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben, doch
der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Erdbeben kam ein Feuer, doch
auch im Feuer war der Herr nicht. Nach dem Feuer kam ein leises, zartes
Säuseln. Elias vernahm es, hüllte sein Gesicht in seinen Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.“ (1 Kön 19, 11-13) Im Neuen Bund vollzogen sich gerade die Heilsmysterien der Menschwerdung, der Geburt und der Auferstehung Jesu in tiefem Schweigen: „Während
tiefes Schweigen alles umfing und die Nacht in ihrem Lauf die Mitte
ihrer Bahn erreicht hatte, kam Dein allmächtiges Wort, o Herr, vom
Himmel, vom königlichen Thron her.“ (Introitus vom Sonntag in der Oktav
von Weihnachten; vgl. Weish 18, 14 f.) Deshalb erscheint es als höchst angemessen, auch die kultische Vergegenwärtigung eben dieser Mysterien in Schweigen zu hüllen.
„Die
heilige Stille ist ... geeignet, die Verborgenheit und Tiefe, die
Unbegreiflichkeit und Unaussprechlichkeit der wundervollen Geheimnisse,
welche auf dem Altar sichvollziehen, anzudeuten und in Erinnerung zu bringen.“ (Gihr, S. 548) - Durch
den stillen Vollzug des Kanons wird der eigentliche eucharistische
Konsekrations- und Opferakt als ausschließlich priesterliche Handlung
gekennzeichnet, denn nicht anders als durch den geweihten Priester
vollzieht Christus die sakramentale Gegenwärtigsetzung des
Kreuzesopfers. Auch ist darin ein deutlicher Bezug zum Alten Bund: „Der
Priester betritt nun allein das Heiligtum des Kanons. ... Gleich dem
Hohenpriester des Alten Bundes, der einmal im Jahr mit dem Blut der
Opfertiere allein das Allerheiligste betreten durfte (Hebr 9, 7), löst
sich der Zelebrant nun vom Volk und tritt vor den heiligen Gott hin, um
ihm das Opfer darzubringen.“ (Jungmann, Missarum solemnia, Bd. II, S.
169)
- Die Gläubigen lädt die Kanonstille zu Einkehr und
innerem Mitvollzug ein, denn kraft ihres in der Taufe erworbenen
allgemeinen Priestertums sind sie befähigt, sich auf ihre Weise als
Mitopfernde mit dem Priester am Altar zu vereinen.
Die Kreuzzeichen im Kanon
Obwohl der römische Kanon weitgehend in Stille vollzogen wird,
wirkt er durch seine zahlreichen begleitenden Gesten doch sehr
lebendig. Besonders bedeutsam sind dabei die Kreuzzeichen, denen allein
schon aufgrund ihres hohen Alters Hochachtung gebührt. In der Form, wie
der Kanon des klassischen römischen Ritus sie bis heute bewahrt, sind
sie seit weit mehr als 1000 Jahren bezeugt. Schon in einem Brief vom 4.
November 751 an den hl. Bonifatius listet Papst Zacharias (741-752) auf
dessen Bitte hin alle Stellen auf, an denen im Kanon ein Kreuzzeichen zu
machen ist.
Der Ursprung dieser Kreuzzeichen liegt in einem Grundsatz
antiker Rhetorik begründet. Damit nämlich die ‚gepflegte Rede‘ lebendig
wirkt, müssen Wort und Gestus übereinstimmen. Deshalb
wird der ‚Redner‘, sobald er auf einen anwesenden Gegenstand zu sprechen
kommt, zugleich durch einen Gestus auf ihn hinweisen. Und je näher der
Gegenstand ist, desto zwingender wird dieser Hinweis.
Auf dem Altar aber sind die Opfergaben wirklich gegenwärtig.
Deshalb weist der Priester, sooft er sie nennt, durch einen Gestus auf
sie hin, wie dies beispielsweise in der ersten Kanonstrophe nach der
heiligen Wandlung geschieht: „Indem wir nun das Gedächtnis
vollziehen, Herr, wir, Deine Diener, aber auch Dein heiliges Volk, des
so seligen Leidens, der Auferstehung von den Toten und der glorreichen
Himmelfahrt Deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, bringen wir
Deiner erhabenen Majestät von Deinen Geschenken und Gaben ein reines + Opfer, ein heiliges + Opfer, ein makelloses + Opfer dar, das heilige + Brot des ewigen Lebens und den + Kelch des immerwährenden Heiles.“ - Genau so muss man die Kreuzzeichen im Kanon verstehen: nämlich als in Kreuzesform stilisierte Hinweisgesten.
Selbstverständlich ist in dieser Deutung der Sinn der
Kreuzzeichen nicht erschöpft. Auch der Charakter eines Segens ist dabei
keineswegs ausgeschlossen.
Te igitur
Schon der allererste Buchstabe des Te igitur ist bedeutungsvoll, denn seit altchristlicher Zeit hat man aufgrund seiner Form im T (griechisch Tau, hebräisch Taw) ein Symbol des Kreuzes gesehen. Deshalb hatte auch der hl. Franz von Assisi eine besondere Vorliebe für das T. Da es im Mittelalter üblich war, die ersten Buchstaben (= Initialen) wichtiger Texte besonders kunstvoll zu gestalten, lag es den Buchmalern nahe, aus diesem T
ein wirkliches Kreuz zu machen. Im Laufe der Zeit hat dieses sich
verselbständigt, weshalb man gewöhnlich im Altarmessbuch vor dem Te igitur eine ganze Seite mit einer prachtvollen Kreuzesdarstellung findet.
Während sonst bei Orationen die Berufung auf die Mittlerschaft Jesu am Ende steht (z. B. in der Schlussformel „Per Dominum nostrum Jesum Christum filium tuum ...“), steht sie im Te igitur ganz betont am Anfang: „Dich also, mildreichster Vater, bitten wir demütig und flehen zu Dir durch Jesus Christus, Deinen Sohn, unseren Herrn.“
Die Worte „supplices rogamus ac petimus - demütig bitten und flehen wir“ werden
dargestellt, indem der Priester die Hände hoch erhebt, sie dann
vereint, wieder senkt und schließlich tief verbeugt auf den Altar legt.
Darin ist zugleich tiefe Demut und kindliches Vertrauen auf den
himmlischen Vater ausgedrückt, der als „Pater clementissimus“ (von clemens = sanftmütig, mildreich) angeredet wird.
Nun küsst er den Altar, zeichnet drei Kreuzzeichen über die Opfergaben und bittet Gott, er möge sie „annehmen und segnen“.
In primis
Die zweite Strophe beginnt mit den Worten: „Vor allem (= in primis) bringen wir sie Dir dar für Deine heilige katholische Kirche.“
Für die Kirche erbitten wir eine vierfache Gnade:
- Gott möge ihr den Frieden schenken (pacificare).
- Er möge sie schützen und beschirmen (custodire).
- Er möge sie innerlich einen (adunare).
- Er möge sie regieren und leiten (regere).
Dieses Opfer wird aber nicht nur für die Kirche, sondern immer auch in ihrem Namen dargebracht. Deshalb muss der Priester in Einheit stehen (una cum) mit dem Papst als sichtbarem Oberhaupt der Kirche, dem Ortsbischof und mit „allen rechtgläubigen Förderern des katholischen und apostolischen Glaubens“, denn: „Ubi
Petrus, ibi Ecclesia ... - Wo Petrus ist, da ist die Kirche. Wo die
Kirche ist, da ist kein Tod, sondern ewiges Leben.“ (hl. Ambrosius,
Enarr. in Ps. 40)
Memento für die Lebenden

Zu Beginn des Memento steht die Einfügung „N et N“. Diese geht auf die sogenannten Diptychen
zurück. Ein Diptychon war ein Gedenktäfelchen, auf dem die Namen derer,
für die das heilige Opfer dargebracht werden sollte, zur ausdrücklichen
Erwähnung verzeichnet waren. Noch heute verweilt der Priester an
dieser Stelle einige Augenblicke in Stille, um für alle zu beten, die
ihm anvertraut sind und die sich seinem Gebet anempfohlen haben.
Insbesondere gedenkt er der Intention dessen, der diese heiligen Messe
in besonderen Anliegen bestellt hat, sowie aller Anwesenden, „deren Glauben und Hingabe Du kennst“,
denn von der Größe ihres Glaubens und ihrer Opfergesinnung hängt es ab,
wie reiche Früchte sie aus der Teilnahme am heiligen Messopfer
gewinnen.
Die anwesenden Gläubigen (circumstantes) werden als solche bezeichnet, für die geopfert wird (pro quibus tibi offerimus) und die auch selbst mitopfern (qui tibi offerunt), und zwar dieses Opfer des Lobes „für sich und für all die Ihrigen, für die Rettung ihrer Seelen, für die Hoffnung auf Heil und Wohlfahrt“.
Vom „Opfer des Lobes“ lesen wir im Alten Testament: „Wir
können nur noch preisen, aber nicht ergründen, und größer ist er noch
als alle seine Werke. Ehrwürdig ist der Herr gar sehr, gar sehr, und
wunderbar sind seine Machterweise. Die ihr den Herrn lobpreist, erhebt
die Stimme, so laut ihr könnt, denn es wird nie genügen! Wenn ihr erhebt
die Stimme, schöpfet neue Kraft, ermüdet nicht, denn ihr kommt nie ans
Ende! Wer sah ihn je und kann davon erzählen, und wer kann ihn so
preisen, wie er ist?“ (Sir 43, 28-31) Hier auf dem Altar wird Gott
wirklich ein seiner Größe entsprechendes würdiges Lobopfer dargebracht,
denn es ist das Opfer des eingeborenen Gottessohnes, mit welchem die
Kirche ihr Lob vereint.
Die Bitte um „Heil und Wohlfahrt“ erinnert an die alttestamentliche Heilsnot und Sehnsucht nach dem Erlöser. So sagt der Psalmist:
„Es kann kein Mensch sich selber erlösen, noch Lösegeld für sich zahlen
an Gott! Zu hoch ist der Preis für sein Leben.“ (Ps 48, 8 f.) Was kein Mensch vermag, das kann doch Gott, denn Christus selbst wurde zum Kaufpreis unseres Heiles: „Du
wurdest geschlachtet und hast uns erkauft mit Deinem Blut für Gott, aus
jedem Stamm und jeder Sprache, aus jedem Volk und jeder Nation.“ (Offb
5, 9)
Weil aber das Heil den ganzen Menschen mit Seele und Leib betrifft, werden beide Aspekte auch ausdrücklich erwähnt: Salus meint das Heil der Seele, incolumitas (von incolumis = unversehrt, wohlbehalten) das Heil des Leibes.
Das Memento klingt aus in den Worten: „Dir, dem ewigen, lebendigen und wahren Gott, erfüllen sie ihre Gelübde (reddunt ... vota sua)“. Dabei denken wir an den Psalmvers: „Bringe Gott als Opfer Lob dar und erfülle dem Allerhöchsten deine Gelübde (redde Altissimo vota tua)!“ (Ps 49, 14) Das Wort votum bezeichnet ein Gelübde, eine gelobte Gabe oder auch einfach einen inneren Akt der Gottesverehrung. Reddere bedeutet wörtlich zurückgeben. Das erinnert daran, dass wir Leib und Leben und alles Gott verdanken: „Was hast du, und hättest es nicht empfangen?“ (1 Kor 4, 7) Was immer wir ihm geben, ist doch stets ein Zurückgeben, denn alles gehört ihm.
Communicantes
Das Communicantes beruft sich auf die Gemeinschaft mit der triumphierenden Kirche im Himmel.
In der Apokalypse sieht der hl. Apostel Johannes den himmlischen Thron umgeben von 24 Ältesten: „Im
Umkreis des Thrones waren vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen
saßen vierundzwanzig Älteste, angetan mit weißen Kleidern, und auf ihren
Häuptern goldene Kränze.“ (Offb 4, 4) Dieselbe Zahl von Heiligen begegnet uns auch hier, denn wie in einer feierlichen Prozession stehen sich - angeführt von der „glorreichen immerwährenden Jungfrau Maria, der Mutter unseres Gottes und Herrn Jesus Christus“ und ihrem Bräutigam, dem hl. Joseph, - genau 24 Heilige, je 12 Apostel und 12 frühchristliche Martyrer, gegenüber.
Maria &
Joseph |
Petrus
Paulus
Andreas
Jakobus der Ältere
Johannes
Thomas
Jakobus der Jüngere
Philippus
Bartholomäus
Matthäus
Simon
Judas Thaddäus |
Linus
Kletus
Klemens
Xystus
Cornelius
Cyprianus
Laurentius
Chrysogonus
Johannes
Paulus
Kosmas
Damian |
Im Blick auf die nahende Wandlung denken wir an die adventliche Antiphon: „Ecce Dominus veniet ... - Siehe, der Herr wird kommen und all seine Heiligen mit ihm ...“ (1. Adventssonntag)
Nach katholischer Überzeugung wird Christus durch die Heiligen
keineswegs verdeckt. Vielmehr offenbaren gerade sie in ihren heroischen
Tugenden die Kraft seiner Gnade. Und wenn wir auch von einigen dieser
Heiligen historisch nur sehr wenig wissen, so gehören sie doch alle zum
apostolischen Urgestein, auf dem die Kirche errichtet ist.
Nach dem Bekenntnis des hl. Apostels Petrus bei Cäsarea Philippi sprach Jesus zu ihm: „Du
bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die
Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ (Mt 16, 18) Sehr schön sagt dazu der hl. Papst Leo der Große: „Wie
immerdar bleibt, was Petrus von Christus geglaubt, so bleibt auch
immerdar, was Christus in Petrus eingesetzt hat.“ (2. Rede am Jahrestag
der Konsekration)
Im Credo bekennen wir den Glauben an die apostolische Kirche, denn sie ist „auf dem Fundament der Apostel“ (Eph 2, 20) erbaut, in ihr lebt das apostolische Amt und sie bewahrt unverfälscht und rein den apostolischen Glauben.
An dieses Fundament erinnert indirekt auch die abschließende Bitte: „Auf
ihre Verdienste und Fürsprache hin gewähre, dass wir in allem durch
die Hilfe Deines Schutzes gesichert seien (muniamur).“ Das Wort muniamur ist abgeleitet von mœnia (= Mauer). Von der heiligen Stadt, dem himmlischen Jerusalem, heißt es aber: „Sie
hat eine mächtige, hohe Mauer mit zwölf Toren, und auf den Toren zwölf
Engel und Namen darauf geschrieben. ... Die Mauer der Stadt hat zwölf
Grundsteine, und auf ihnen die zwölf Namen der zwölf Apostel des
Lammes.“ (Offb 21, 12-14)
Hanc igitur
Das Hanc igitur wird durch ein Glockenzeichen
angekündigt. Es enthält die letzte Bitte um Annahme des Opfers,
unmittelbar vor dem eigentlichen Höhepunkt: „Dieses Opfer unseres Dienstes und Deiner ganzen Familie nimm denn, so bitten wir, Herr, gnädig an.“ Dargebracht wird es zu unserem zeitlichen und ewigen Heil: „Ordne unsere Tage in Deinem Frieden und gebiete, dass wir (der Gefahr) der ewigen Verdammnis entrissen und der Schar Deiner Auserwählten zugezählt werden.“
Dazu breitet der Priester seine Hände über die Opfergaben aus,
wie schon Aaron und seine Söhne es bei den vorbildlichen Opfern des
Alten Bundes taten, denn so sprach Gott zu Moses: „Hole dann den
einen Widder; Aaron und seine Söhne sollen ihre Hände auf den Kopf des
Widders legen. Schlachte darauf den Widder, nimm sein Blut, und sprenge
es ringsum an den Altar!“ (Ex 29, 15 f.)
Quam oblationem
Die letzte Kanonstrophe vor der heilige Wandlung ist eine Art Epiklese (= Wandlungsbitte).
Die zur Beschreibung der Opfergabe verwendeten Begriffe sind teilweise
der Rechtssprache entnommen: Sie möge von Gott in jeder Hinsicht
gesegnet sein (benedicta), angenommen und eingetragen (adscripta), rechtsgültig gleich einem Vertrag (rata). Vom Geist Gottes erfasst, soll sie ein ‚lebendiges‘ und ‚geistiges‘ Opfer werden (rationabilis), im höchsten Maß Gott wohlgefällig und angenehm (acceptabilis): „Damit sie uns werde Leib und Blut Deines vielgeliebten Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus.“
Die je fünf darüber gezeichneten Kreuzzeichen können sinnbildlich als Hinweis auf die heiligen fünf Wunden Jesu gedeutet werden.
Konsekration des Brotes
Alles Bisherige diente zur Vorbereitung auf das Große, das nun geschieht, denn „der
Konsekrationsmoment ist der wichtigste und feierlichste, der
erhabenste und ergreifendste, der weihevollste und gnadenreichste
Augenblick der Messfeier“ (Gihr, S. 595).
Niemals ist der Priester so sehr Priester wie jetzt, da er ganz und gar in persona Christi
handelt, indem er Christus als Werkzeug dient und IHM gleichsam seinen
Mund und seine Hände leiht, damit ER durch sie dem Vater das
sakramentale Opfer der Erlösung darbringen kann (vgl. Direktorium für
Dienst und Leben der Priester Nr. 48).
Als eigentlich Handelnden erkennen wir im Glauben den ewigen Hohenpriester Jesus Christus.
Sehr schön wird dies veranschaulicht, indem nun der
Ministrant direkt hinter dem Priester niederkniet und den Saum des
Messgewandes ergreift, wie es ganz ähnlich einst die Frau in
Kapharnaum tat: „Und siehe, eine Frau, die seit zwölf Jahren an
Blutfluss litt, trat von rückwärts hinzu und berührte den Saum seines
Kleides, denn sie sagte sich: Wenn ich nur sein Kleid berühre, werde ich
gesund. Jesus wandte sich um, sah sie und sprach: ‚Sei getrost,
Tochter, dein Glaube hat dir geholfen!‘ Und die Frau war geheilt von
jener Stunde an.“ (Mt 9, 20-22)
Und: „Wo er Dörfer oder Städte oder Gehöfte betrat, legten sie die
Kranken auf die offenen Plätze und baten ihn, dass sie wenigstens den
Saum seines Kleides berühren dürften, und alle, die ihn berührten,
wurden geheilt.“ (Mk 6, 56) Geistigerweise sollen auch wir den Saum
SEINES Gewandes berühren, im Glauben, dass Jesus selbst im
zelebrierenden Priester gegenwärtig und dass ER unser Heiland ist.
Der Form nach handelt es sich bei den Wandlungsworten nicht
um einen ‚Bericht‘, sondern vielmehr um ein an Gott den Vater
gerichtetes Gebet: „Dieser nahm am Abend, bevor er litt, Brot in
seine heiligen und ehrwürdigen Hände, und indem er mit zum Himmel, zu
Dir, Gott, seinem allmächtigen Vater, erhobenen Augen Dir Dank sagte,
segnete er es, brach es und gab es seinen Jüngern mit den Worten: Nehmet
hin und esset alle davon ...“
Durch die begleitenden Riten wird im Tun des Priesters dem Vater die actio Christi dargestellt, denn er tut genau das, was auch Jesus tat:
Er nimmt das Brot und den Kelch, erhebt die Augen, verneigt das Haupt
und segnet die Gaben. Das Brechen und die Austeilung finden allerdings
erst später statt, während das Danken bereits zuvor in der Präfation
entfaltet wurde.
Die Einleitung „am Abend, bevor er litt“ erinnert an
den Zusammenhang zwischen Messopfer und Passion. Auch beim Letzten
Abendmahl hat Jesus ganz ausdrücklich von seinem Leiden gesprochen: „Sehnlichst habe ich danach verlangt, dieses Pascha mit euch zu essen, bevor ich leide (antequam patiar).“ (Lk 22, 15) Dieses heilbringende Leiden wird in jeder heiligen Messe mit all seinen Früchten auf geheimnisvolle Weise gegenwärtig.
Zum ersten Teil der Wandlung beugt sich der Priester über das Brot und spricht die Worte: „Hoc est enim Corpus meum. - Das ist mein Leib.“ Danach hält er nicht mehr Brot in den Händen, sondern den geopferten Leib Jesu.
Von der eucharistischen Wesensverwandlung sagt das Konzil von Trient: „Zu
Beginn lehrt die heilige Kirchenversammlung, und sie bekennt offen und
ohne Rückhalt, dass in dem erhabenen Sakrament der heiligen Eucharistie
nach der Konsekration von Brot und Wein unser Herr Jesus Christus als
wahrer Gott und Mensch wahrhaft, wirklich und wesentlich unter der
Gestalt jener sichtbaren Dinge gegenwärtig ist.“ (13. Sitzung (1551), DS
1636)
Der hl. Thomas von Aquin besingt dieses Geheimnis mit den Worten: „Gesicht,
Gefühl, Geschmack, sie täuschen sich in Dir, doch das Gehör verleiht
den sichern Glauben mir. Was Gottes Sohn gesagt, das glaub ich hier
allein. Es ist der Wahrheit Wort, und was kann wahrer sein?“ (Hymnus
‚Adoro te devote‘)
Der Glaube an die wirkliche Gegenwart des Herrn (= Realpräsenz) findet im überlieferten römischen Ritus einen passenden Ausdruck, indem nun der Priester IHN sofort - noch vor der Erhebung - mit gebeugtem Knie anbetet (genuflexus adorat).
Dabei ahmt er die drei Weisen nach, die sogleich, als sie das Kind
sahen, anbetend vor ihm niederfielen und ihm huldigten (vgl. Mt 2, 11).
„Die kleine Hostie schließt jetzt unendlich mehr Schätze,
Reichtümer und Herrlichkeiten in sich, als auf dem Weltall sich finden.
... Der Priester trägt seinen Schöpfer, Erlöser, Richter in Händen: Was
liegt da näher, als dass er vor demselben in heiliger Furcht und
seliger Freude anbetend auf die Knie niedersinkt?“ (Gihr, S. 600 f.)
Nach der Kniebeuge erhebt er die heilige Hostie, gleich der im Osten aufgehenden Sonne, hoch über sein Haupt (= Elevation).
- Der Priester zeigt die heilige Hostie dem gläubigen Volk (ostendit populo), damit es anschaue und anbete: „Jesus,
den verborgen jetzt mein Auge sieht, stille mein Verlangen, das mich
heiß durchglüht: Lass die Schleier fallen einst in Deinem Licht, dass
ich selig schaue, Herr, Dein Angesicht.“ (hl. Thomas von Aquin, Hymnus
‚Adoro te devote‘) - Die Glückseligkeit der Heiligen im Himmel besteht ja wesentlich in der beseligenden Anschauung Gottes (= visio beatifica).
- Zugleich aber zeigt der Priester den geopferten Leib Jesu auch dem himmlischen Vater:
„Was
stellt der Priester hier Gott dem Herrn vor Augen? Es ist die
vergöttlichte Menschheit seines eingeborenen Sohnes, das vortrefflichste
Ebenbild der allerheiligsten Dreifaltigkeit, das allerkostbarste
Kleinod, wie keines zu finden ist in allen Schätzen der Welt.“ (Martin von Cochem, Erklärung des heiligen Messopfers, S. 336)
In der erhobenen Hostie trifft sich der anbetende Blick der
Gläubigen mit dem Blick des himmlischen Vaters, der uns wie damals bei
der Taufe im Jordan oder bei der Verklärung auf dem Tabor sagen möchte: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ (Mt 3, 17 und 17, 5)
Von
jetzt an fällt die besondere Fingerhaltung des Priesters auf. Auch sie
kündet eindrücklich vom Glauben an die wirkliche Gegenwart des Herrn.
Bei der Priesterweihe wurden Daumen und Zeigefinger des Neupriesters
eigens gesalbt. Von der ersten Berührung im Moment der Wandlung an hält
er sie beisammen, und aus Ehrfurcht berührt er mit ihnen nichts anderes
mehr als nur die heilige Hostie.
Konsekration des Weines
Nach dem Vorbild Jesu wird die Wandlung in zwei Teilen
vollzogen. Zur Konsekration des Weines beugt sich der Priester über den
Kelch und spricht die Worte: „Das ist der Kelch meines Blutes, des
neuen und ewigen Bundes, Geheimnis des Glaubens, das für euch und für
viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“
Der heilige Leib und das Kostbare Blut Jesu werden getrennt
gegenwärtig, um zur mystischen Darstellung des gewaltsamen Opfertodes
am Kreuz die Trennung von Leib und Seele anzudeuten. Beide Teile der
Wandlung entsprechen einander in genauer Symmetrie.
Unde et memores
Sogleich nach der Wandlung des Kostbaren Blutes steht die Aufforderung Jesu: „Sooft ihr dies tut, tut es zu meinem Gedächtnis.“
Eben dieses Gedächtnis wird nun aufgegriffen, denn aus dem
Gedenken an das Große, das Gott für uns getan hat, wächst der Dank, und
dieser drängt danach, sich auszudrücken im Opfer: „Indem wir nun das
Gedächtnis vollziehen (memores), Herr, wir, Deine Diener, aber auch
Dein heiliges Volk, des so seligen Leidens, der Auferstehung von den
Toten und der glorreichen Himmelfahrt Deines Sohnes, unseres Herrn Jesus
Christus, bringen wir (offerimus) Deiner erhabenen Majestät“ das Gotteslamm dar, dessen geopferter Leib nun vor uns auf dem Altar liegt. Jesus selbst ist die hostia pura, sancta und immaculata, die reine, heilige und makellose Opfergabe. Er selbst ist das „heilige Brot des ewigen Lebens“ (vgl. Joh 6, 51).
Die fünf Kreuzzeichen über die Opfergaben erinnern wieder an die heiligen fünf Wunden und an Jesu Leiden und Tod.
„Werden die eucharistischen Opfergaben genannt, dann tritt
passend das Symbol des Kreuzes hinzu, um auch für das Auge anschaulich
zu machen, dass auf dem Altar der nämliche Leib und das nämliche Blut
geopfert werde wie einst am Kreuz.“ (Gihr, S. 616)
Neben den geweihten Priestern („nos servi tui“) werden auch die Gläubigen als Mitopfernde genannt („sed et plebs tua sancta“).
Darin ist wieder der übernatürliche Adel des Gottesvolkes im
allgemeinen Priestertum ausgesprochen, von dem der hl. Apostel Petrus
sagt: „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein geheiligtes Volk.“ (1 Petr 2, 9)
Supra quæ
Im Supra quæ bittet die Kirche den himmlischen Vater,
ihr mit dem Opfer Jesu vereintes Opfer wohlgefällig anzunehmen. Dazu
erinnert sie an die heilsgeschichtlichen Zusammenhänge vom ersten
Opfer des Abel an über die Opfer Abrahams und Melchisedechs bis hin zu
ihrer Erfüllung im Kreuzesopfer Jesu. So heißt es in der Secret vom 7.
Sonntag nach Pfingsten: „Gott, der Du die verschiedenen Opfer des
alten Gesetzes durch die Vollkommenheit des einen Opfers besiegelt hast,
nimm das Opfer Deiner Dir ergebenen Diener an und heilige es mit dem
gleichen Segen wie die Gaben Abels, damit, was jeder einzelne zur Ehre
Deiner Majestät dargebracht hat, allen zum Heil gereiche.“
Der vorbildhafte Charakter wird in den drei erwähnten Opfern sehr schön deutlich:
- Abel, der Gerechte, opfert ein Lamm.
- Abraham, der Vater, opfert den Sohn.
- Melchisedech, der Priester, opfert Brot und Wein.
- Vom „gerechten Diener Abel“ heißt es ausdrücklich: „Der Herr blickte auf Abel und seine Opfergabe.“ (Gen 4, 4) Jesus selbst nennt den „gerechten Abel“ (Mt 23, 35), der sein Opfer in seinem eigenen schuldlos vergossenen Blut vollendet hat und dadurch zum Vorbild für den wurde, dessen Blut „wirksamer redet als das Blut Abels“ (Hebr 12, 24) und von dem Pilatus sagt: „Ich bin unschuldig am Blute dieses Gerechten.“ (Mt 27, 24)
- Eine
ganz vorzügliche vorbildhafte Beziehung besteht zwischen dem
Kreuzesopfer Jesu und dem Opfer Abrahams, denn wie Isaak ist auch Jesus
der einzig geliebte Sohn, der selbst das Holz zur Stätte des Opfers
hinaufgetragen hat. In ihm finden die Worte Abrahams ihre letzte
Erfüllung:
„Gott selbst wird sich ein Opferlamm ersehen (= providebit).“ (Gen 22, 8)
- Auch der Priesterkönig Melchisedech ist Vorbild für den Messias, von dem prophezeit ist, er werde Priester sein auf ewig „nach der Ordnung des Melchisedech“ (Hebr 5, 10 und Ps 109, 4). Stellvertretend
für sein ganzes Geschlecht entrichtete ihm Abraham den Zehnten, als
Melchisedech zur Ehre des allerhöchsten Gottes Brot und Wein zum Opfer
brachte (vgl. Gen 14, 18).
Supplices
Ähnlich wie die Seraphim in der Vision des Isaias vor dem hohen
und erhabenen göttlichen Thron ihr Angesicht verhüllen (vgl. Is 6, 2),
senkt nun der Priester den Blick und spricht tief verbeugt: „Demütig
flehend bitten wir Dich, allmächtiger Gott: Lass dies durch die Hände
Deines heiligen Engels zu Deinem himmlischen Altar gelangen (perferri),
vor das Angesicht Deiner göttlichen Majestät.“
Der Engel und der Altar erinnern an die Schau der himmlischen Liturgie in der Offenbarung des Johannes: „Und als es (das Lamm) das
siebte Siegel öffnete, wurde es still im Himmel, wohl eine halbe
Stunde lang. Und ich sah die sieben Engel, die vor Gott stehen, und es
wurden ihnen sieben Posaunen gegeben. Ein anderer Engel kam und trat vor
den Altar, eine goldene Rauchschale tragend, und viel Räucherwerk
wurde ihm gegeben, dass er es darbringe unter dem Gebet aller Heiligen
auf dem goldenen Altar vor dem Throne Gottes. Und der Rauch des Räucherwerkes stieg unter den Gebeten der Heiligen aus der Hand des Engels empor zu Gott.“ (Offb 8, 1-4)
Der hl. Thomas von Aquin (S. th. III,83,4 ad 9) deutet den Opferengel auf Christus selbst, der als „Bote des großen Ratschlusses“ (magni consilii Angelus)“ (Is 9, 6) das Opfer der Kirche zum himmlischen Altar trägt.
Während der erste Teil ganz zu Gott empor gerichtet ist, tritt nach den Worten „ut quotquot“ eine Wende ein. Nun küsst der Priester den Altar und erbittet als Frucht des Opfers den göttlichen Segen, „damit wir alle, die wir durch diese Teilnahme am Altar den hochheiligen + Leib und das + Blut Deines Sohnes empfangen, mit allem himmlischen Segen und mit Gnade erfüllt werden (repleamur).“
Memento für die Verstorbenen
Nachdem er den Segen für die Lebenden erbeten hat, betet der
Priester für die leidende Kirche, die Seelen im Fegfeuer, die in ihrem
gegenwärtigen Zustand nicht mehr selbst opfern können, sondern passiv
geläutert werden: „Gedenke auch, Herr, Deiner Diener und
Dienerinnen, die uns mit dem Zeichen des Glaubens vorangegangen sind und
die nun ruhen im Frieden.“
In den Worten „die uns vorangegangen sind“ liegt eine
Mahnung für die streitende Kirche auf Erden, denn auch sie wird einmal
diesen Weg gehen. Es ist heilsam, an den Tod zu denken, um im Blick auf
den Tag der Rechenschaft stets bereit zu sein, „denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht vermutet“ (Mt 24, 44).
Das „Zeichen des Glaubens“ (signum fidei) ist
das unauslöschliche Merkmal, das in der Taufe der Seele eingeprägt wird
zum Zeichen unbedingter Zugehörigkeit und unverbrüchlicher Treue zu
Christus und seiner Kirche.
Der Zustand der Seelen im Fegfeuer wird sehr positiv beschrieben als ein „Ruhen im Frieden“,
denn obgleich sie der Vollendung ihrer Erlösung noch entgegenharren,
ist ihnen der Friede doch gesichert. Zwar sind sie noch nicht am Ziel,
aber sie sind auf dem Weg, auf dem sie das Ziel nicht mehr verlieren
können. „Selig sind von jetzt an die Toten, die im Herrn sterben!
Wahrlich, spricht der Geist, sie werden ausruhen von ihren Mühen, denn
ihre Werke folgen ihnen nach.“ (Offb 14, 13)
Die himmlische Seligkeit wird dreifach umschrieben als Ort erquickender Kühle (refrigerii), des Lichtes (lucis) und des Friedens (pacis).
- Die erfrischende Kühle deutet darauf hin, dass die läuternden Strafen des Fegfeuers beendet sein werden: „Transivimus
per ignem et aquam: et eduxisti nos in refrigerium. - Durch Feuer und
Wasser sind wir geschritten; und Du hast uns hinausgeführt zum Ort der
Erfrischung.“ (Ps 65, 12) Im Kontrast dazu steht die Bitte des reichen Prassers im Gleichnis vom armen Lazarus: „Als
er in der Unterwelt in der Qual seiner Schmerzen seine Augen erhob, sah
er Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Da rief er: Vater
Abraham, erbarme dich meiner, und sende den Lazarus, dass er die Spitze
seines Fingers ins Wasser tauche und meine Zunge erfrische, denn ich
leide große Pein in dieser Glut.“ (Lk 16, 23 f.)
- Als ‚Ort des Lichtes‘ schildert Johannes das himmlische Jerusalem: „Die
Stadt bedarf weder der Sonne noch des Mondes, dass sie scheinen in ihr,
denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtete sie, und ihre Leuchte ist das
Lamm.“ (Offb 21, 23) Und im Psalm 35 stehen die herrlichen Verse: „Am
Reichtum Deines Hauses laben sie sich, mit dem Strom Deiner Wonnen
tränkst Du sie. Ja, bei Dir ist die Quelle des Lebens, in Deinem Lichte
schauen wir das Licht.“ (Ps 35, 9 f.)
Bei den abschließenden Worten „Per eundem Christum Dominum nostrum“ neigt der Priester das Haupt. Dies ist ungewöhnlich, weil an dieser Stelle der Name Jesus
gar nicht genannt wird. Nach einer schönen allegorischen Deutung soll
diese Verneigung den Tod Jesu darstellen, der mit geneigtem Haupt (vgl.
Joh 19, 30) gestorben ist: „Sterbend hat Christus am Kreuz sein
Haupt geneigt und ist dann in die Tiefe des Totenreiches hinabgestiegen,
um die Frommen der Vorzeit dort zu trösten und aus ihrer Gefangenschaft
zu befreien. Daran will der Priester nun erinnern durch Neigung seines
Hauptes, da er ja hier für alle in Christus Ruhenden betet und fleht.“
(Gihr, S. 635)
Nobis quoque
Da sonst der ganze Kanon in Stille vollzogen wird, fällt es
auf, dass nun der Priester die Stimme ein wenig hebt und drei Worte ganz
deutlich ausspricht, wobei er sich mit der rechten Hand an die Brust
schlägt: „Nobis quoque peccatoribus ... - Auch uns Sündern, Deinen
Dienern, die auf die Fülle Deiner Barmherzigkeit hoffen, schenke gnädig
Anteil und Gemeinschaft mit Deinen Heiligen.“ Der Grund liegt
darin, dass er hier für sich selbst und für den anwesenden Klerus
betet. Durch die Erhebung der Stimme soll die Aufmerksamkeit der übrigen
Geistlichen geweckt werden, damit auch sie sich an die Brust schlagen
und sich mit dem Gebet des Zelebranten vereinen.
Das Schlagen an die Brust ist hier nicht nur Ausdruck von Reue
und Zerknirschung, sondern kann in direkter Anknüpfung an die Allegorese
der vorherigen Strophe gedeutet werden. Nachdem nämlich Jesus sterbend
sein Haupt geneigt hatte, schlugen sich die Umstehenden an die Brust: „Als
der Hauptmann sah, was geschah, pries er Gott und sprach: ‚Wirklich,
dieser Mensch war ein Gerechter!‘ Und all die Volksscharen, die sich zu
diesem Schauspiel eingefunden hatten und sahen, was vorging, schlugen an
die Brust und gingen von dannen.“ (Lk 23, 47 f.)
In den Worten „die auf die Fülle Deiner Barmherzigkeit hoffen“ ist ein starker Anklang an den Psalm Miserere, den König David angestimmt hat, nachdem er in schwere Sünde gefallen war: „Nach der Fülle Deiner Barmherzigkeit, tilge mein Vergehen!“ (Ps 50, 3)
In der Bitte um Anteil und Gemeinschaft mit den Heiligen findet sich die Wendung „partem aliquam“: Wir bitten in Demut wenigstens um einen „kleinen Anteil“, denn so sagt der Psalmist: „Wahrlich,
ein Tag in Deinen Vorhöfen ist besser als tausend andere. Lieber auf
der Schwelle liegen im Haus meines Gottes, als in den Zelten der Frevler
wohnen!“ (Ps 83, 11)
Angeführt von Johannes dem Täufer werden dann 14 Martyrer aufgelistet: 7 Männer und 7 Frauen.
Johannes |
Stephanus
Matthias
Barnabas
Ignatius
Alexander
Marcellinus
Petrus |
Felicitas
Perpetua
Agatha
Lucia
Agnes
Cäcilia
Anastasia |
Aus der Zahl dieser Heiligen sei hier nur einer
herausgegriffen, nämlich der hl. Ignatius, Bischof von Antiochien, der
um das Jahr 107 in Rom den Martertod starb. Von seiner letzten Reise
besitzen wir sieben Briefe, von denen besonders jener an die römische
Christengemeinde in ergreifender und eindrücklicher Weise von seiner
Opfergesinnung zeugt. Aus Sorge, die römischen Christen könnten
versuchen, sein Martyrium zu verhindern, schrieb er: „Ihr könnt mir
nicht besser eure zärtliche Liebe beweisen, als wenn ihr es geschehen
lasst, dass ich mich zum Opfer weihe - jetzt, wo der Altar errichtet
ist: Begnügt euch, im heiligen Chore der Liebe Dank zu singen dem Vater
in Christo Jesu. Wohl mir, wenn ich der Welt untergehe, um für Gott
aufzugehen! Lasset mich den Tieren zur Speise werden, damit ich durch
sie zu Gott gelange. Ich bin der Weizen Gottes und muss durch die Zähne
der Tiere gemahlen werden, um reines Brot Christi zu sein. Feuer und
Kreuz, Scharen wilder Tiere, Zerreißung des Leibes, Zerstückelung meiner Glieder, Zermalmung meiner Gebeine, - kurz, was
immer der Teufel an Qualen ersinnen kann, alles möge über mich kommen,
wenn ich nur Jesum Christum gewinne. Alle Vergnügungen der Erde achte
ich für nichts, für nichts alle Königreiche der Welt: Besser ist es für
mich, zu sterben für Jesus Christus, als zu herrschen über alle Grenzen
der Erde. Lasset mich nachahmen das Leiden meines Gottes. Meine Liebe
ist ja gekreuzigt. Kein Feuer glüht in mir, das nach dem Irdischen
zielt, sondern ein Quell lebendigen Wassers sprudelt in meinem Herzen
und ruft mir zu: Komm zum Vater! Nur das Brot Gottes verlange ich, das
Himmelsbrot des Lebens, welches ist das Fleisch Jesu Christi, des Sohnes
Gottes: nur den Trank verlange ich, sein Blut, welches ist die
unvergängliche Liebe und das ewige Leben!“ (Ignatius von Antiochien, Brief an die Römer, zitiert nach: Gihr, S. 640 f.)
Die abschließende Bitte um Aufnahme ins „Consortium Sanctorum“ (= Lebens- und Gütergemeinschaft mit den Heiligen) erinnert an das Wort des hl. Apostels Paulus: „Möget
ihr in Freude Dank sagen dem Vater, der uns befähigt hat, Anteil zu
erhalten am Los seiner Heiligen im Lichte.“ (Kol 1, 12)
Per quem hæc omnia
In der folgenden Kanonstrophe beziehen sich die Worte „hæc omnia“ (= dies alles)
zunächst auf die eucharistischen Elemente. Tatsächlich hat Gott die
Gaben von Brot und Wein durch die Wesensverwandlung auf
höchstmögliche und unüberbietbare Weise geheiligt, belebt und gesegnet. Aus den materiellen Gaben wurde ‚lebendiges‘ Brot:
„Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wenn
einer von diesem Brote isst, wird er leben in Ewigkeit, und das Brot,
das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“ (Joh 6,
51)
Zugleich aber repräsentieren die Gaben von Brot und Wein die
sichtbare Schöpfung. In ihnen wird stellvertretend auch die übrige Welt
gesegnet. Deshalb bezieht sich das „hæc omnia“ auch auf die Gaben der Natur.
Tatsächlich fand früher zu bestimmten Zeiten und an gewissen
Festen genau an dieser Stelle eine Segnung von Naturalien statt. In
einer von Papst Gelasius (492-496) verfassten Sammlung liturgischer
Riten steht die Anweisung, kurz vor dem Ende des Messkanons Früchte zu
segnen, worauf eine Segensformel folgt, die mit den Worten schließt: „... in nomine D. N. I. Ch. per quem hæc omnia ...“ (vgl. Gihr, S. 651, Fußnote 3). Das Per quem war
ursprünglich also ein feststehender Abschluss für verschiedene
Segensgebete. Ein Überbleibsel davon gibt es noch heute, denn in der
Chrisammesse des Gründonnerstags wird genau an dieser Stelle das
Krankenöl gesegnet.
Per ipsum
Das Per ipsum ist ein abschließender Lobpreis- und
Opferritus, der den ganzen Kanon noch einmal zusammenfasst und gleichsam
auf den Punkt bringt.
Der Priester deckt den Kelch ab, beugt das Knie, ergreift
ehrfurchtsvoll mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand die heilige
Hostie und macht mit ihr langsam drei Kreuzzeichen von Rand zu Rand des
Kelches. Wie zuvor die zweigeteilte Wandlung auf den gewaltsamen
Opfertod Jesu hinweist, so kann dies als symbolische Zusammenfügung zur
Darstellung der Auferstehung verstanden werden.
Die waagerechten Kreuze deuten in die vier Himmelsrichtungen,
von denen her die Kirche versammelt ist, um in Vereinigung mit dem
unendlich wertvollen Opfer Christi „durch ihn und mit ihm und in ihm“ Gott dem allmächtigen Vater in der Einheit des Heiligen Geistes „omnis honor et gloria“, d. h. die ganze ihm gebührende höchste und vollkommenste Ehre und Verherrlichung zu erweisen.
Bei den Worten „omnis honor et gloria“ erhebt der Priester Kelch und Hostie zur sogenannten kleinen Elevation, um sie so auch äußerlich sichtbar dem himmlischen Vater aufzuopfern, wozu der Ministrant ein Glockenzeichen gibt.
Nach dem wieder laut gesprochenen „Per omnia sæcula sæculorum“ antwortet das Volk: „Amen“, was soviel heißt wie: „So sei es!“
Dieses unscheinbare Wort hat an dieser Stelle ein sehr hohes Gewicht,
denn auf diese Weise erklären die Gläubigen zur ganzen Opferhandlung
ihre feierliche Zustimmung.
Pater noster
Seit Papst Gregor dem Großen (590-604) folgt nun das Pater noster.
In einem Brief an den Bischof von Syrakus (ep 7, 63) sagt er, wenn
schon von Menschen verfasste Gebete über die Opfergaben gesprochen
würden, dann zieme sich dies umso mehr für das vom Herrn selbst
verfasste Gebet. Er selbst verstand die Einführung des Pater noster
als wichtige Ergänzung und Vollendung des Kanon. Weil es aber
ausdrücklich in den Kreis der Kanonstrophen einbezogen war, sollte es
vom Priester allein gebetet werden.
Sehr feierlich klingt die Einleitung: „Præceptis salutaribus moniti ... - Durch heilbringende Anordnung gemahnt und durch göttliche Belehrung angeleitet, wagen wir zu sprechen: ...“
Die vierte Bitte des Pater noster um das tägliche Brot
meint nicht nur die Nahrung für den Leib, sondern umfasst sämtliche
Bedürfnisse des Menschen in seiner leib-seelischen Ganzheit, denn „nicht vom Brot allein lebt der Mensch“ (Mt 4, 4 / Dt 8, 3). Ganz deutlich ist darin bereits auch eine Überleitung und Vorbereitung auf den Empfang der heiligen Kommunion zu sehen.
Embolismus
Die letzte Bitte des Pater noster wird fortgeführt und ausgedeutet im sogenannten Embolismus (= Einschub), in welchem der Kanon seinen endgültigen Abschluss findet: „Erlöse
uns, wir bitten Dich, Herr, von allen Übeln, den vergangenen,
gegenwärtigen und zukünftigen, und auf die Fürsprache der seligen und
glorreichen immerwährenden Jungfrau und Gottesgebärerin Maria, der
heiligen Apostel Petrus und Paulus sowie Andreas und aller Heiligen gib
gnädig Frieden in unseren Tagen ...“ Bei diesen Worten bekreuzigt
sich der Priester mit der Patene, denn er bittet um jenen wahren
Frieden, den Christus durch sein Kreuz gebracht hat, „... damit wir mit Hilfe Deiner Gnade allzeit von Sünden frei und vor jeder Verwirrung gesichert seien.“
Nun küsst der Priester die Patene und schiebt sie unter die
heilige Hostie. Diese Aufnahme der Hostie deutet der sel. Hrabanus
Maurus (776-856) als symbolische Grablegung und den Kuss als „Zeichen der Liebe und Ehrfurcht ... gegen dieses ‚neue Grabmal‘ des anbetungswürdigen Fronleichnams Christi“ (Gihr, S. 662).
Danach deckt der Priester den Kelch ab, macht eine Kniebeuge, ergreift die Hostie, bricht sie ehrfurchtsvoll in der Mitte (fractio), löst ein kleines Stück von der linken Hälfte ab, zeichnet damit zur Pax drei Kreuze über den Kelch (consignatio) und senkt diesen Partikel in das Kostbare Blut (mixtio).
Fractio
Schon bei der Wandlung wurde erwähnt, wie Jesus beim Letzten Abendmahl das Brot gebrochen hat: „Während
sie nun aßen, nahm Jesus Brot, sprach den Segen, brach es und gab es
den Jüngern mit den Worten: ‚Nehmet hin und esset, das ist mein Leib.‘“
(Mt 26, 26) Diese Brechung wird nun vollzogen.
Die frühen Christen haben das Brotbrechen als starkes Symbol empfunden und den Begriff (ähnlich wie den der Eucharistia = Danksagung) sogar als Bezeichnung für das ganze eucharistische Opfer gebraucht: „Sie verharrten in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet.“ (Apg 2, 42; vgl. 1 Kor 10, 16)
Die Brechung der heiligen Hostie wird direkt über dem Kelch mit
dem Kostbaren Blut vollzogen. Sie erinnert wiederum an den gewaltsamen
Opfertod Jesu und ganz besonders an die Öffnung seiner Seite, aus der
eben dieses Kostbare Blut zum Heil der Welt geflossen ist: „Einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus.“ (Joh 19, 34)
Consignatio und Pax
Mit dem kleinen, von der linken Seite der gebrochenen Hostie
abgelösten Partikel, macht der Priester ein dreifaches Kreuz über den
Kelch (= consignatio) und spricht: „Der Friede + des Herrn + sei allezeit + mit euch.“ Dabei denken wir an das Wort des hl. Apostels Paulus: „Es war Gottes Ratschluss, ... durch ihn alles mit sich zu versöhnen, da er den Frieden wirkte durch sein Blut am Kreuz.“ (Kol 1, 19)
Mixtio
Schließlich wird der Partikel in das Kostbare Blut versenkt, während der Priester spricht: „Diese Mischung und Weihung des Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus Christus gereiche uns Empfangenden zum ewigen Leben.“ Durch die Zusammenführung der getrennten Gestalten von Leib und Blut Christi wird wieder, wie beim Per ipsum, symbolisch die Auferstehung dargestellt.
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