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 Die Ausrichtung nach Osten

Vom Sinn der Ausrichtung nach Osten

Es ist allgemein bekannt, daß in alter Zeit die Kirchen bevorzugt in Richtung Osten gebaut wurden und daß es für das frühe Christentum selbstverständlich war, nach Osten hin zu beten. In der klassischen römischen Liturgie hat sich etwas davon bis heute erhalten in der Zelebrationsrichtung versus crucem d.h. „zum Kreuz gewandt“. Hinter diesem alten Brauch verbirgt sich ein großer spiritueller Reichtum von bleibender Bedeutung, will er doch über das äußerliche Symbol hinaus Ausdruck einer inneren Gesinnung sein, die nicht nur im Urchristentum für christliches Denken und Beten konstitutiv war. Es wäre zu wünschen, daß viele dies heute neu entdeckten!

Den ersten und fundamentalsten Grund für die Ausrichtung nach Osten finden wir in der Verknüpfung der natürlichen Symbolik der Himmelsrichtungen mit dem Gedanken an die Wiederkunft Christi.

Die Sonne

Im Begriff Orient (von oriri = aufgehen) ist der Osten gekennzeichnet als die Seite des Sonnenaufganges. Die Sonne bringt Licht und Leben und wird somit zum Symbol für Christus, der sich selbst bezeichnet als „Licht der Welt“ (vgl. Joh 8,12). So betrachtet sie auch der heilige Franz von Assisi in seinem Sonnengesang: „Sei gelobt, mein Herr, mit all Deinen Kreaturen. Sonderlich mit der hohen Frau, unsrer Schwester, der Sonne, die den Tag macht und mit ihrem Licht uns leuchtet, wie schön in den Höhen und prächtig in mächtigem Glanze bedeutet sie, Herrlicher, Dich!“ (Anm.: Im Italenischen ist die Sonne ausßerdem männlichen Geschlechts.)

Ausdruck messianischer Sehnsucht

 Schon im Zusammenhang der alttestamentlichen Sehnsucht nach dem kommenden Erlöser, begegnet uns der Begriff des oriens. Dort, wo die vorweihnachtliche Liturgie uns ihre Sehnsucht vor Augen hält, greift sie einmal ganz ausdrücklich auf diesen Begriff zurück: „O Oriens ... - O Aufgang, Glanz des ewigen Lichtes, Sonne der Gerechtigkeit: komm, erleuchte uns, die da sitzen in der Nacht, im Schatten des Todes.“ (O-Antiphon vom 21. Dezember) Ebenso sprach auch der greise Zacharias, als er nach der Geburt des Johannes seine Sprache wiedergefunden hatte, die prophetischen Worte vom „oriens ex alto“, vom „aufgehenden Licht aus der Höhe“ (Lk 1,78).

Der Stern aus dem Osten

Als dann der Herr in Bethlehem geboren wurde, da ging im Osten ein Stern auf. So fragten die drei Weisen aus dem Morgenland den König Herodes: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir sahen nämlich seinen Stern im Osten (in oriente) und sind gekommen, ihm zu huldigen.“ (Mt 2,2) Im Geheimnis der Epiphanie sehen wir die erste Offenbarung des menschgewordenen Gottes vor den Augen der Welt.

Seine erste Ankunft wurde ganz still und unscheinbar angezeigt durch den Stern aus dem Osten, - anders seine zweite Ankunft, bei der er selbst kommen wird wie der Blitz aus dem Osten.

Der Blitz aus dem Osten

Die Erwartung der Wiederkunft Christi am Ende der Tage ist verknüpft mit dem Geheimnis seiner Himmelfahrt. Schon im Alten Testament findet sich die Prophetie von der Himmelfahrt des Herrn nach Osten hin: „Singet Gott, der aufsteigt über die Himmel, zum Osten hin (ad orientem).“ (Vulg. Ps 67,34) Wie aber der Herr vom Ölberg aus nach Osten hin in den Himmel aufgefahren ist, so dürfen wir auch seine Wiederkunft am Ende der Tage aus dem Osten erwarten, denn bei der Himmelfahrt sprachen die Engel zu den Aposteln: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel hinauf? Dieser Jesus, der von euch weg hinaufgenommen worden ist, wird ebenso (!) kommen, wie ihr ihn habt zum Himmel auffahren sehen.“ (Apg 1,11) Über das Kommen des Menschensohnes sagt der Herr selbst: „Denn wie der Blitz vom Osten (ab oriente) ausfährt und bis zum Westen leuchtet, so wird es mit der Ankunft des Menschensohnes sein.“ (Mt 24,27)

Die dritte Ankunft

Die „dritte Ankunft“, welche zwischen dem ersten und jenem letzten adventus Domini stattfindet, ist das Kommen des Herrn in der Gnade: Er sucht die einzelnen Seelen auf, um ihnen durch seine Kirche die Früchte der Erlösung zuzuwenden. In ganz besonderer Weise geschieht dies in der Feier jeder heiligen Messe, wo der Herr ja selbst kommt und sich mit uns vereinigen möchte in der heiligen Kommunion. Wenn der Priester bei der Wandlung den Leib des Herrn hoch empor hält, um ihn den Gläubigen zur Anbetung zu zeigen, dann gleicht die weiße Scheibe der Hostie der aufgehenden Sonne im Osten!

Dies ist der tiefere Sinn der Zelebration versus orientem: Die Ausrichtung nach Osten will Ausdruck der Sehnsucht nach dem kommenden Herrn sein. In vielen romanischen Kirchen findet man in der Apsis die Darstellung des wiederkommenden Weltenrichters. Der Priester am Altar gleicht dem Hirten, der seiner Herde vorausgeht, dem Herrn entgegen, eingedenk des Wortes des Herrn: „Eure Lenden sollen umgürtet sein, und eure Lampen sollen brennen. Ihr sollt sein wie Menschen, die auf ihren Herrn warten...“ (Lk 12,35 f.)

 Schon im Beten der Urkirche drückt sich die Sehnsucht nach dem Kommen des Herrn aus in dem liturgischen Gebetsruf „Maran atha!“ - „Komm, Herr Jesus!“ (1 Kor 16,22). Und dies sind die letzten Worte der Heiligen Schrift: „Der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald! Amen! Komm, Herr Jesus! Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit allen Heiligen! Amen!“ (Offb 22,20 f.)

Andere Deutungen

Neben dieser zentralen eschatologischen Bedeutung finden wir noch eine ganze Reihe anderer Deutungen der Ausrichtung des zelebrierenden Priesters nach Osten hin.

Nach der Deutung des heiligen Thomas von Aquin (II,II,84,3 ad 3) drückt das Gebet nach Osten hin die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies aus (vgl. Gen 2,8).

Auch kann man in dieser traditionellen Gebetsrichtung gleichsam einen Ausdruck der Höflichkeit Gott gegenüber sehen: Wenn man auch das Gebet zunächst innerlich versteht als eine „Erhebung der Seele zu Gott“, so scheint es doch ganz angemessen zu sein, daß der Priester sich auch äußerlich zu dem hin wendet, zu dem er spricht. Dies kommt nicht nur durch die Erhebung der Hände, sondern auch durch die Zelebrationsrichtung zum Ausdruck. Durch den Mund des Propheten Jeremias spricht Gott zum Haus Israel: „Sie kehrten mir den Rücken zu und nicht das Gesicht. Doch sind sie in Not, dann heißt es: Steh auf und hilf uns!“ (Jer 2,27)

Ferner finden wir in der gemeinsamen Gebetsrichtung von Priester und Volk ein äußeres Zeichen der Einheit. Diese Einheit kommt gerade nicht dadurch zustande, daß man einander anschaut, sondern daß man gemeinsam in eine Richtung schaut.

Ebenfalls ist es von symbolischem Wert, daß man bei der Wandlung das Gesicht des Priesters nicht sieht. Dadurch wird der objektive Charakter der Liturgie unterstrichen, denn der Priester am Altar ist nur Stellvertreter Christi. Der eigentliche Priester des Neuen Bundes ist Christus selbst. Für die Gläubigen ist es so viel leichter, von der Person des zelebrierenden Priesters zu abzusehen, um zum ewigen Hohenpriester zu gelangen!

Schließlich sei noch ein nicht zu unterschätzender Vorteil erwähnt, den die traditionelle Zelebrations-richtung für den zelebrierenden Priester selbst hat. Wie Moses auf dem Berg ist er am Altar gleichsam mit dem Herrn allein: „Moses aber soll allein zum Herrn herantreten, die anderen dürfen nicht herantreten, und das Volk soll nicht mit ihm hinaufsteigen!“ (Ex 24,2)

 Dieses „Alleinsein“ mit dem Herrn empfinden viele Priester als befreiend. Ohne Zweifel wird der Zelebrant sehr viel leichter zu einer innigen Anteilnahme am Opfer Christi gelangen, wenn man ihm bei dessen Vollzug nicht ins Gesicht schaut!

P. Martin Ramm

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